Yade Yasemin Önder liest aus ihrem Debütroman "Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron"

Yade Önder

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Die deutsch-türkische Erzählerin wird auf einer Wiese als "Mischling aus meiner Mutter und meinem Vater" geboren. Nach dem Tod des 400 Kilo schweren Vaters zerfällt die Familie vor dem Panorama einer düster-funkelnden BRD in Scherben. Der Roman erzählt vom Mangel und des Zu-viel-Seins aus psychischer, körperlicher und gesellschaftlicher Sicht.
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"Was heißt es für das Erinnern und ganz generell für das literarische Schreiben, wenn Erzählungen doch nur eine unter vielen Wahrheiten enthalten?" (Taz, Carsten Otte)

Die binationale Protagonistin berichtet sehr unzuverlässig aus den ersten drei Jahrzehnten ihres Lebens, in denen sie sich in den Wirren von Identität, Rassismus und Familienerbe, Gewalt, weiblichem Körperideal und Sexualität verheddert. Der türkische Vater (so übergewichtig, dass man "fast nichts mit ihm machen kann, was mit einer Schwerkraft zu tun hat") stirbt, als die Protagonistin acht Jahre alt ist. Alleingelassen ergeben Mutter und Tochter eine toxische Mischung. Der Roman erzählt, wie ein Mädchen hinausfindet aus einer beschädigten Familienaufstellung hinein in eine düster-funkelnde BRD. Er erzählt von einem Großvater mit Loch im Hals, von Sommern in Istanbul, die nach zu heißen Elektrogeräten riechen und nach Anis; von Dingen und Menschen, die auf Nimmerwiedersehen aus dem Fenster fliegen, und allem voran von Bulimie als Krankheit und als Metapher. Es ist die Geschichte einer jungen Frau, die sich immer wieder verliert und wiederfindet, auseinanderfällt und neu zusammensetzt. Bei alldem bleibt der Vater ein Wiedergänger, der deutlich macht: Auch jemand, der fehlt, kann zu viel sein.

"Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron" ist ein formal herausforderndes, angenehm verstiegenes Buch mit lauter schweren Zeichen, wie Bulimie, Gewalt, und überhaupt, dem ganzen furchtbaren Prozess des Reinwachsens in die ewig unerreichbare Schönheitsnorm. Man möchte es all jenen als Gegenbeweis verordnen, die meinen, die junge Gegenwartsliteratur sei müde in der Form und erschöpft im Inhalt. (Süddeutsche Zeitung, Miryam Schellbach)

"Ein furioser Text voller Drastik und Schönheit. Dieser Roman ist literarischer Punkrock. Zornig und aggressiv. Mit Sätzen, die wie wummernde Bassläufe direkt in die Magengrube fahren. (Michael Au, SWR 2, lesenswert)

"Yade Yasemin Önder lässt es scheppern, versteht sich aber auch auf die leisen Töne. Sie kann Sätze formulieren, die sich wie expressionistische Gedichtzeilen lesen. Und sie hat ein Gespür für literarische Komik, die nicht nur die Lesenden, sondern eben auch die leidenden Figuren brauchen. Was ein vielversprechender Debütroman." (Taz, Carsten Otte)