#SustainableFriday: Interview mit Tabea Leukhardt vom Institut für Zukunftskultur

27.05.2022 - Die Expertin begleitet die re:publica auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Im Interview sprechen wir mit ihr über konkrete Maßnahmen und eine nachhaltige Zukunft der Veranstaltungsbranche.
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Porträtfoto: Tabea Leukhardt vor einer Mauer mit dunkel- und hellroten Ziegelsteinen
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Privat

Tabea Leukhardt ist seit mehr als zehn Jahren Expertin für nachhaltiges Wirtschaften in Unternehmen und Organisationen. Gemeinsam mit dem Kollektiv für Zukunftskultur unterstützt sie Kultur- und Medieneinrichtungen beim Aufbau von Nachhaltigkeitsstrategien, der Wesentlichkeitsanalyse und der Umsetzung einzelner Maßnahmen (z.B. CO2-Bilanz, nachhaltiges Veranstaltungsmanagement, Nachhaltigkeitsberichte als Nachweis für Förderprogramme). In der Akademie für Zukunftskultur bildet sie zu*r „Nachhaltigkeitsmanager*in in Kultur und Medien“ aus, vernetzt Akteur*innen und lädt zum Dialog ein. Seit März 2022 berät Tabea das re:publica-Team beim Aufbau eines konsolidierten Nachhaltigkeitsteams und -managements. Wir freuen uns auf die weitere inspirierende Zusammenarbeit und haben mit Tabea im Interview über ihre Arbeit, den aus ihrer Sicht größten Herausforderungen und Potenzialen im Bezug auf nachhaltige Events gesprochen.

Zum Einstieg die übliche Frage: Wer bist du und was machst du?
Tabea: Ich bin Tabea Leukhardt, ehemalige Referentin des Nachhaltigkeitsrates mit Schwerpunkt „Nachhaltiges Wirtschaften".
Nach meiner Zeit beim Nachhaltigkeitsrat bin ich zunächst in die Feldforschung gegangen mit dem Wunsch, von der politischen Realität in die Praxis zu kommen. Ich habe renaturiert, Kunstkurse für an Schizophrenie erkrankte Wohnungslose angeboten, Medienbildung konzipiert. Vor allem habe ich viel zugehört. Und verstanden: Lebenskultur, Subkultur, Hochkultur – sie alle sind Vermittler von Werten und Veränderungsprozessen. Und das brauchen wir dringend: Unsere Gesellschaft steht in diesem Jahrzehnt vor einer riesigen Transformation, wenn wir unsere natürlichen Lebensräume nicht verlieren wollen. Aber wie auch in der Privatwirtschaft gilt: auch die Organisationsführung von kulturellen Einrichtungen ist noch längst nicht in allen Dimensionen nachhaltig. Wenn wir glaubwürdig arbeiten wollen müssen wir den Wandel auch betrieblich einleiten. Um Organisationen bei ihrem Wandel zu unterstützen und diesen auch politisch mitzugestalten, habe ich das Institut für Zukunftskultur gegründet. Wir begleiten Prozesse, messen und managen Nachhaltigkeitskonzepte und bilden in der Akademie für Zukunftskultur Nachhaltigkeitsmanager*innen aus.

Wie ist der Bedarf in der Veranstaltungsbranche und wo siehst du die größten Herausforderungen im Bezug auf Nachhaltigkeit?
Die Kulturbranche ist engagiert, hat ein wachsendes Bewusstsein für einzelne Nachhaltigkeitsthemen, wie bspw. Diversität, Inklusion, zunehmend auch Klimaschutz. Schauen wir genauer in die Organisationen rein, dann sehen wir aber: wir haben es mit Einzelpersonen zu tun, die on top ihrer eigentlichen Aufgabe nachhaltige Maßnahmen umsetzen. Es fehlt an strategischen Ansätzen (Budget, Kapazitäten, Zielvorgaben), an struktureller Unterstützung (Förderprogrammen, Netzwerken, politischer Gestaltungsmöglichkeit) – an allem, was Nachhaltigkeit zu einem professionellen und sinnhaften Unterfangen macht. Hier brauchen wir einen klaren politischen Auftrag, Konzepte zur Finanzierung von Wissensvermittlung, Prozessbegleitung und Austausch.
Von einem einheitlichen Nachhaltigkeitsverständnis bis hin zur Umsetzung: Professionelles Nachhaltigkeitsmanagement meint alle Dimensionen von Nachhaltigkeit (sozial, ökologisch, ökonomisch) gleichzeitig in den Blick zu nehmen und nach Wesentlichkeit umzusetzen. Wie andere Branchen auch, verstrickt sich die Veranstaltungsbranche in Einzelmaßnahmen und Diskussionen zu „geht nicht, ist nicht finanzierbar“. Dabei gilt: dieses ist das relevante Jahrzehnt, wenn wir unsere natürlichen Lebensräume noch erhalten wollen. Dafür müssen wir uns trauen, mit Exaktheit auf die (ökologischen und sozialen) Auswirkungen unseres Tuns zu schauen – das heißt u.a. CO2 bilanzieren, soziale Herausforderungen ehrlich und transparent zu evaluieren. Und dann mit Entschlossenheit und Optimismus handeln.

In welchen Bereichen siehst du das meiste Potenzial für die Eventbranche nachhaltiger zu werden?
Aufgrund der anhaltenden Pandemie ist die Eventbranche ständig mit Herausforderungen der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit konfrontiert: Findet unsere Veranstaltung überhaupt statt? Wie gut sind wir gebucht? Schaffen wir den Break Even? Daraus ergeben sich Zielkonflikte im sozialen Bereich: Prekäre Anstellungs- und Honorarbedingungen, Personalmangel, zusätzliche Maßnahmen wie Workshops zu Barrierefreiheit und/oder Diversität. Wo zuerst anpacken? Aus dem Mittelstand wissen wir: Wer im Risikomodus operiert, kann nur mit großer Anstrengung strukturelle Veränderungen anstoßen und über eine kurzfristige Planung hinweg vorsorgen.
Dabei gilt es zügig zu handeln: Die Eventbranche hat einen hohen CO2-Ausstoß, insbesondere im Bereich Energie (Strom), Wärme, An- und Abreise von Besucher*innen. Auch wenn die gesetzlichen Pflichten noch nicht greifen: Über den EU Green Deal und das Klimaschutzgesetz gibt es die klare politische Vorgabe, CO2 zu reduzieren. Ganz zu schweigen von dem gesellschaftlichen Auftrag.

Zusammenarbeit mit der re:publica: Wie unterstützt ihr die #rp22 im Nachhaltigkeitsmanagement und wie sieht die Zusammenarbeit mit der republica GmbH darüberhinaus aus?
Wir begleiten die re:publica seit März bei der nachhaltig(er)en Eventplanung. Konkret heißt das: wir haben gemeinsam mit dem gesamten Team Maßnahmen, Utopien, Hemmnisse gesammelt und nach Wesentlichkeit sortiert. Was ist innerhalb der eigenen Systemgrenzen optimierbar? Wie viel Budget, Kapazitäten brauchen wir für die Maßnahmen? Welche Maßnahmen sind in unserem aktuellen Rahmen machbar und wirksam? Da kamen schnell ca. 180 Maßnahmen zusammen. Auf der Grundlage des ersten Workshops haben wir eine Nachhaltigkeits-AG etabliert, Maßnahmen evaluiert, in die Umsetzung gebracht. Nun gilt es, die aufgestellten Hypothesen zu überprüfen, will heißen: wir werden die re:publica als Veranstaltung CO2-bilanzieren, Potentiale auswerten, mit Kooperationspartner:innen und Dienstleister:innen in den Diskurs gehen, an einer Klimastrategie für die rp23 arbeiten.

Vielen lieben Dank an Tabea für das Interview!

Weitere Infos zum Nachhaltigkeitskonzept für die re:publica 22 gibt es hier auf unserer Infoseite.